Die Federal Reserve hat dem Markt eine unerwartete Überraschung beschert, die ihn regelrecht schockiert hat. Und es liegt nicht nur an der Erhöhung des Refinanzierungssatzes um weitere fünfundzwanzig Basispunkte, denn der Markt war schon lange darauf vorbereitet. Es geht um die anschließenden Aussagen. Jerome Powell hat praktisch direkt gesagt, dass es bis zum Ende dieses Jahres mindestens eine weitere Erhöhung geben könnte, was aus Marktsicht die schlechteste Entwicklungsmöglichkeit darstellt und folglich zu einer deutlichen Stärkung des Dollars führen sollte. Aber der Dollar wurde etwas schwächer. Wenn auch nicht viel. Die Anleger waren stark überrascht von den Aussagen, dass es keine Anzeichen für eine Rezession in der amerikanischen Wirtschaft gibt und auch keine in Aussicht gestellt wird. Und wenn es keine wirtschaftliche Abschwächung gibt, dann gibt es auch keine Gründe, die Geldpolitik so schnell wie möglich in Richtung Lockerung zu ändern. Das bedeutet, dass die Zinssätze noch lange auf einem hohen Niveau bleiben werden. Aber diese Sichtweise der wirtschaftlichen Situation seitens der Aufsichtsbehörde steht im vollkommenen Widerspruch zur Sichtweise der Marktteilnehmer. Diese Diskrepanz war für die Anleger ein regelrechter Schock, der den Dollar wenn auch symbolisch, aber dennoch schwächen ließ. Denn es stellt sich heraus, dass die Federal Reserve die Realität nicht angemessen wahrnimmt. Selbst der Gedanke daran ist beängstigend und birgt unverhältnismäßige Risiken.
Jetzt hängt alles vom Europäischen Zentralbank ab, die auch ihren Refinanzierungssatz um fünfundzwanzig Basispunkte erhöhen muss. Auf 4,25%. Der Markt ist im Grunde genommen auch darauf vorbereitet. Angesichts der gestrigen Aussagen von Jerome Powell gewinnt die anschließende Pressekonferenz von Christine Lagarde noch mehr an Bedeutung. Es ist für Anleger wichtig zu verstehen, wie der europäische Regulator die wirtschaftlichen Realitäten bewertet und ob er sie in vollem Umfang erkennt. Tatsächlich ist es jetzt viel wichtiger, nicht nur wie hoch die Zinssätze letztendlich steigen werden, sondern auch die Angemessenheit des Handelns des Regulators in den bestehenden Umständen. Denn die Zinssätze sind zwar für den Markt bedeutend in Bezug auf die Kosten der Mittelbeschaffung und die Rentabilität verschiedener Instrumente, aber die Übereinstimmung des Refinanzierungssatzes mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ist viel wichtiger. Selbst wenn die Zinssätze zugunsten der Märkte gesenkt werden, kann dies eine destruktive Auswirkung auf die Wirtschaft haben, was alle betrifft. Einschließlich der Märkte. Und wenn die Worte des Präsidenten der Europäischen Zentralbank von den Anlegern als angemessener empfunden werden, wird der Dollar einem stärkeren Druck ausgesetzt sein.
