Der Euro hat nicht nur fast 8-Monats-Hochs erreicht, sondern auch den US-Dollar im G10-Währungsrennen übertroffen. Die EUR/USD-Kurse steigen seit fünf von den letzten sechs Handelstagen, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Bullen so stark sind. Die Realität liegt in der Schwäche der Bären. So ist die August-Rallye des wichtigsten Währungspaares eine Geschichte eines schwachen „Amerikaners“.
Die Wirtschaft der Eurozone lässt viel zu wünschen übrig. Experten von Bloomberg prognostizieren, dass die Geschäftstätigkeit im August nahe an der Stagnation sein wird. Die Bundesbank sieht keine Rezession in Deutschland voraus nach der unerwarteten Schrumpfung des BIP im zweiten Quartal, merkt jedoch an, dass die Erholung der führenden Wirtschaft im Währungsblock äußerst langsam verlaufen wird.
Unterdessen fordern Gewerkschaften Gehaltserhöhungen von 7-19% über die nächsten 12 Monate, wobei Streiks und Arbeitskräftemangel als Hebel dienen. Die Löhne stiegen um 4,2% und werden wahrscheinlich weiter steigen. Dies wird die Kerninflation deutlich über dem 2%-Ziel halten und die EZB zwingen, die Geldpolitik schrittweise zu normalisieren. ING glaubt, dass die Markterwartungen einer monetären Expansion um 68 Basispunkte im Jahr 2024 übertrieben sind. Tatsächlich wird es wahrscheinlich nur eine Senkung des Einlagensatzes um 25 Basispunkte geben.
Trotz der Verkäufe im Juli und August erscheint der US-Dollar immer noch sehr hoch, insbesondere wenn man den real effektiven Wechselkurs betrachtet. Die Fed wechselt von einer straffen Geldpolitik mit anschließendem Plateau des Bundeszielsatzes zu einer Lockerung. Solche Phasen sind immer negativ für die US-Währung.
Dynamik des Realen Effektiven Wechselkurses des US-Dollars
Die Renditen von Staatsanleihen fallen, was die Attraktivität solcher Wertpapiere mindert und zu Kapitalabflüssen führt. Umgekehrt steigen die Aktienindizes stark an, was auf eine Verbesserung der globalen Risikobereitschaft hinweist. Der US-Dollar leidet als sicherer Hafen. Wie lange wird dies anhalten?
In der Realität steigt der S&P 500 in Erwartung einer taubenhaften Rhetorik von Jerome Powell in Jackson Hole, und diese Erwartungen sind eindeutig übertrieben. Dasselbe gilt für die Aussichten auf eine Senkung des Leitzinses um 100 Basispunkte im Jahr 2024, die der Futures-Markt erwartet. Sobald sich diese Hoffnungen in Enttäuschung verwandeln, droht die Situation im EUR/USD zu kippen.
Werden die Bären auf die Rede des Fed-Chefs warten, um das Prinzip „Buy the rumor, sell the fact“ anzuwenden? Oder werden sie einen Grund finden, das Haupwährungspaar früher zu verkaufen? Beide Szenarien sollten sorgfältig in Betracht gezogen werden. Selbst Statistiken zur europäischen Geschäftstätigkeit könnten einen Schmetterlingseffekt auslösen.
Technisch gesehen zeigt EUR/USD im Tageschart einen starken Aufwärtstrend und einen Ausbruch über den fairen Wertbereich von 1.084–1.1050. Ein erstes Zeichen von Schwäche bei den Bullen und ein Grund für kurzfristige Verkäufe wäre, wenn der Euro unter das Pivot-Level von $1.1065 fallen würde.