Um genaue Vorhersagen über die Zukunft zu treffen, muss man die Vergangenheit untersuchen. Die mehr als 10%ige Rallye des EUR/USD seit Jahresbeginn wurde von vier Schlüsselfaktoren angetrieben: Deutschlands Wechsel von fiskalischer Zurückhaltung zu Ausgaben im März, die Zölle im April im Zusammenhang mit dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, Kapitalabflüsse von den USA nach Europa und schließlich eine bedeutende Verschiebung in der spekulativen Positionierung – von stark langen Dollar-Positionen zu Short-Positionen. All diese Elemente sind bereits im großen Währungspaar eingepreist. Ist also die aktuelle Konsolidierung überraschend?
Auf den ersten Blick scheint es wahrscheinlich, dass der EUR/USD den Status quo beibehält. Nach der achten Senkung des Einlagenzinses durch die Europäische Zentralbank im Juni glaubt der Terminmarkt, dass der Zyklus der geldpolitischen Lockerung entweder beendet oder pausiert ist. Die Situation der Federal Reserve ist ähnlich transparent. Es ist unwahrscheinlich, dass Verbraucherpreise und Kerninflation unter den Prognosen die Fed dazu veranlassen, ihre „Boxenstopps“ zu verlassen. Die Zentralbank benötigt mehr Daten, bevor sie sich entscheidet, die Zinsen zu senken.
Inflation in den USA

Europäische Aktienindizes übertreffen weiterhin ihre amerikanischen Pendants, aber der Vorsprung wurde hauptsächlich im April–Mai aufgebaut. Die Kapitalzuflüsse in Europa-fokussierte ETFs verlangsamen sich allmählich, was nachvollziehbar ist. Ein schwächerer US-Dollar wird wahrscheinlich die Unternehmensgewinne der exportorientierten Firmen in Europa belasten.
Und vergessen Sie nicht den bevorstehenden Stichtag am 9. Juli—das Ende der 90-tägigen Zollaufschubfrist. Donald Trump droht der EU mit 50%igen Zöllen. Derzeit decken Einfuhrzölle etwa 70% aller Lieferungen von der EU in die Vereinigten Staaten ab. Brüssel bewertet diesen Handel auf 380 Milliarden Euro und hofft aufrichtig, dass die Verhandlungen nach Ablauf der Frist fortgesetzt werden.
U.S.–EU-Handelsdynamik

Der Euro erhält keine Unterstützung von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Im ersten Quartal wurde das beschleunigte BIP-Wachstum von einem vorgezogenen Anstieg der US-Importe vor den großen Tarifen des Weißen Hauses angetrieben. Aktuell befinden sich die Geschäftstätigkeit und andere Frühindikatoren auf neutralem Niveau. Angesichts dieser Bedingungen ist es schwer, einen Anstieg des BIP oder des EUR/USD-Wechselkurses vorherzusehen.

Nur eine erneute Eskalation der Handelskonflikte könnte die Rallye weiter anheizen. Mit dem Näherkommen der 90-Tage-Frist ist es wahrscheinlich, dass die Spannungen zunehmen. Den "Bullen" an den US-Aktienmärkten könnten die Nerven versagen, und ein Rückgang des S&P 500 könnte eine neue Welle von EUR/USD-Käufen auslösen, unter dem Motto "Alles Amerikanische abstoßen".
Technisch gesehen gibt es im Tageschart des Hauptwährungspaares einen bullischen Versuch, den Aufwärtstrend wiederherzustellen. Long-Positionen, die bei 1,1445 eingegangen wurden, sollten gehalten werden. Ein überzeugender Ausbruch über den Widerstand bei 1,1495 würde die Möglichkeit bieten, diese Positionen zu erweitern. In diesem Szenario wären die anfänglichen Ziele die Niveaus von 1,1600 und 1,2000.